Mit „Ungarischen Skizzen“ begann der Konzertabend der Mandolinisten-Vereinigung Berlin am 15. November 2015. Diese Ouvertüre stand programmatisch über dem ersten Konzertteil des Abendsim Rathaus Berlin-Zehlendorf. Fast 300 Gäste waren in den ausverkauften Saal gekommen, um die Musikerinnen und Musiker zu ihrem traditionellen Jahreskonzert zu erleben. Es wurde auch dieses Jahr ein musikalisches Erlebnis nach dem Geschmack des Publikums.
Geschickt war das Programm gestaltet: Dem Einleitungsstück folgten zwei ungarische Lieder, darauf gab es rumänische Tänze und vor der Pause noch zwei Csárdás. Die Solisten des diesjährigen Konzerts waren die 21-jährige Studentin Johanna Graack und ihr vier Jahre jüngerer Bruder Julius, der noch Schüler ist. Vor allem die junge Sängerin beeindruckte durch eine klare Stimme mit warmem Vibrato. Auch ihr Bruder gestaltete seine Partien musikalisch. Zwar machte die tiefe Lage mancher Stücke ihm etwas Mühe, aber er sang seine Lieder und Arien intensiv und mit Emotion. Im Duett mit seiner Schwester („Tonight“ aus der „West Side Story“) hatte er „sein“ Stück gefunden.
Aus echten Publikums-Hits bestand der zweite Teil des Abends, in dem sich ein Musical-Evergreen an den anderen reihte. Einem Medley aus „My Fair Lady“ folgte eine Melodie aus „Anatevka“. „Memory“ aus „Cats“ und das „Lied des Herodes“ aus „Jesus Christ Superstar“ schlossen sich an. Höhepunkt des Abends war der Song „I feel pretty“ aus der „West Side Story“: Johanna Graack ging in dieser kleinen Charakterstudie auf und erhielt Sonderapplaus. Kleine Accessoires wie ein Handspiegel zum „Pretty“, eine Krone für Herodes und eine Katzenmaske für „Cats“ reichten schon, Handlung und Situation anzudeuten – eine schöne Idee! Durch den zweiten Teil des Abends führte der sympathische Konstantin Padioukov, der in die Musicalhandlungen einführte und kurze Erläuterungen zum besseren Verständnis gab. Leider war er mit seinem Akzent nicht immer gut zu verstehen.
Die Mandolinisten-Vereinigung machte ihre Sache rundum gut. Konzertmeister Horst Schwendtner ist ein echter primus inter pares, der das Orchester aufmerksam und fehlerfrei führt, und das schon seit 30 Jahren. Sehr erfreulich ist auch die Entwicklung des Orchesters, das entscheidend von seiner Leiterin und Dirigentin Natalja Kittke profitiert: Es phrasiert musikalisch, spielt mit guter dynamischer Differenzierung und kann ebenso im forte auftrumpfen wie sensibel, aber ausdrucksvoll im piano begleiten.
Natalja Kittke ist erst die dritte Leiterin in 65 Ensemblejahren. Sie leitet das Ensemble seit 2013 und hat in dieser Zeit für eine neue Orchesterkultur gesorgt. Das Zusammenspiel ist konzentrierter geworden, die Einsätze sind genauer und die Phrasierungen klarer. Natalja Kittke hat natürliche Autorität. Die Musikerinnen und Musiker profitierenvon ihren Gesten, die flüssig, exakt und doch entspannt sind. So entsteht gut gemachte Musik, die den Zuhörern erkennbar Freude macht. Natalja Kittke ist außerdem auch noch eine herausragende Akkordeonspielerin und meisterte den berühmten Csárdás von Monti, vom Ensemble begleitet, mit Bravour. Dass sie auch noch die Arrangements fast aller an diesem Abend gespielten Werke erstellt hat, komplettiert das Bild einer Vollblutmusikerin.
Wie in jedem Jahr hat auch im November 2015 das traditionell schlechte Wetter keinen einzigen Konzertbesucher abgehalten: Der Saal war ausverkauft. Wer nächstes Jahr kommen will, kann sichden 20. November 2016 schon mal eintragen und spätestens sechs Wochen vorher Karten bestellen.