Eine Laudatio auf das Teg’ler Zupforchester
Liebes Teg’ler Zupforchester mit ihrem Dirigenten Symeon Ioannidis,
Liebe Gäste, meine sehr verehrten Damen und Herren!
„70 Jahre und kein bisschen leise“ ist das heutige Geburtstagsmotto des Teg‘ler Zupforchesters. Und ich füge gleich hinzu: kein bisschen leise, aber immer besser, immer klangvoller…
Die Entwicklung und die Geschichte des Orchesters sind wirklich beeindruckend! Wer hätte 1947 bei Stromsperre und Kerzenlicht den Mut oder die visionäre Kraft gehabt, diesen so überaus liebenswerten und erfolgreichen Weg vorauszusagen? Der Krieg hat so vieles zerstört, auch die erste 1940 versuchte Gründung des Orchesters, nur drei Mitglieder überlebten. 1947 kamen dann aber doch 30 Spielerinnen und Spieler zusammen, und es ist herrlich und sensationell: Es musizieren noch heute Gründungsmitglieder im Orchester, die sich einen besonderen Applaus verdient haben.
Wer kann sich heute noch das Leben um 1947 vorstellen? Zerstörung und Wiederaufbau prägten das Bild, und die Freiheit und das Wiedererblühen der Kultur war Balsam für die geschundenen Seelen. Zwei Beispiele seien als Hinweis und Erinnerung an diese Zeit des Wiederbeginns genannt: Walter Felsenstein gründet 1947 die Komische Oper und Arnold Schönberg schafft sein Werk, „Ein Überlebender aus Warschau“ für einen Sprecher, Männerchor und Orchester. Würdigung der Opfer der Barbarei und ein Beitrag zur Aufarbeitung der Verbrechen. Und in Tegel treffen sich Musikfreunde zu gemeinsamen Probenabenden und erfreuen schon bald mit Musikabenden ein dankbares Publikum. Ältere Musikfreunde erinnern sich mit Freude an Konzerte im bzw. vor dem Humboldtschloss in Tegel. Wäre das nicht eine Idee, einmal wieder dort zu spielen?
Viele engagierte Mitglieder leisten in dieser Aufbauzeit Hervorragendes, zwei Persönlichkeiten will ich nennen: Günter Schmidt, den Gründer und ersten Mentor und Eberhard Türk, Spiritus Rektor von 1950 bis zu seinem plötzlichen Tod 1976.
Die Stärke des Orchesters ist der Gemeinschaftsgeist und die Bereitschaft zur gemeinsamen Verantwortung. Bewundernswert die Kontinuität und die Disziplin seit 7 Jahrzehnten. Die Kreativität und die Offenheit erhält das Orchester jung, die Alten sowieso, doch das Entscheidende: es kommen immer wieder junge Musiker hinzu, angesteckt von der Musizierfreude des Kreises, aber vor allen Dingen auch von der Qualität.
Das TZO, ich muss das Kürzel jetzt einmal verwenden, verfügt heute über ein reichhaltiges Repertoire. Klassik und Moderne treffen sich, und auch das heutige Programm spiegelt diese Vielfalt wider. Dietrich Erdmann, dessen Geburtstag sich im Juli dieses Jahres zum 100. Mal jährte, hätte an diesem Konzert seine große Freude gehabt. Umso mehr freut es mich, seine Witwe, Frau Erdmann, begrüßen zu können. Liebe Frau Erdmann, ich finde es wunderbar, dass Sie den Besuch des Konzertes hier im Fontane Haus möglich machen konnten. Seien Sie herzlich willkommen, lassen Sie und gemeinsam diesen Abend genießen.
Die Vielfalt entsteht, weil Herausforderungen angenommen werden, der Abend reicht nicht, um über die Ideen und die Reichhaltigkeit der verschiedenen Programme zu sprechen. Ob Literatur und Musik, die Jahreszeiten, musikalische Reisen durch Europa, es ist beeindruckend was das Orchester aufnimmt, interpretiert und zur konzertanten Aufführung bringt. Dabei spielen natürlich die Dirigenten eine entscheidende Rolle und alle haben eine gute Arbeit geleistet, sodass die Nachfolger ein Stückchen darauf aufbauen konnten. Ein besonderer Glücksfall steht heute am Pult: Symeon Ioannidis. Er hat die noch zu fördernden Potentiale entdeckt, den Schatz der Erfahrung flexibel gemacht, Mut zu Neuem entwickelt und das Orchester zu einem noch harmonischerem Klangkörper gebracht. Erfolgserlebnisse sind Lohn der Arbeit. „Wir kommen von einem Orchesterwochenende auf dem Zahnfleisch laufend nach Hause, aber es ist schön.“ Das ist das Resümee von Insidern.
Als aufmerksamer Beobachter von außen kann ich nur sagen: Das Ergebnis dieser Arbeit ist eine wunderbare Gemeinschaft, ein hervorragendes Orchester, ein Juwel der dezentralen Kulturarbeit. Wir werden heute Nachmittag von unserem Geburtstagkind mit einem wunderbaren Konzert beschenkt und in der Pause können CDs gekauft werden und das TZO hofft, dass wir ihm die nächsten 30 Jahre die Treue halten. Da kann ich nur mit Adenauer sagen, als der Kardinal ihm zum 90. Geburtstag vom lieben Gott 100 Jahre erbat: „Eminenz warum wollen sie die Gnade des Herren so begrenzen?“
Also: Dank und Anerkennung für großartige 7 Jahrzehnte und für die unbegrenzte Zukunft spannendes erfolgreiches musisches Schaffen. Herzlichen Glückwunsch Teg’ler Zupforchester!
Detlef Dzembritzki